Unhaltbare Zustände!

Liebe Leserinnen und Leser. Der nachfolgende Bericht kann für die Betroffenen verstörend wirken und wird für Unbeteiligte kaum zu begreifen sein. Ein Lagebericht aus Sicht eines Ackerbauern zum aktuellen Getreide- und Rapspreis für konventionell (ÖLN erfüllt) produzierende Landwirte.

Um meine Fassungslosigkeit zu begreifen, muss man zuerst wissen, um was es geht. Es ist so, dass die meisten Preise für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse jährlich festgelegt werden. Man spricht dabei von sogenannten Richtpreisen, welche die Marktteilnehmer einzuhalten haben. Bereits vor einiger Zeit wurde bekannt, dass die Verhandlung betreffend Richtpreis für Futtergetreide KEINE Einigung erzielt wurde. Somit besteht für alle Futtergetreide, wie zum Beispiel Gerste, Futterweizen und Triticale, kein Richtpreis. Fairerweise muss man beim fehlenden Richtpreis für Futtergetreide festhalten, dass unsere Berufskollegen, allen voran die Schweinemäster, auf den Preis drücken. Beim Brotgetreide, dem wohl wichtigsten Ackerprodukt in der Schweiz, wurde zwar ein Produzentenpreis ausgehandelt, dieser wurde jedoch im Vergleich zum Vorjahr auf einem tiefen Niveau unverändert belassen. Bereits in meinem Blog-Beitrag Das Fass läuft über! habe ich über die ungedeckten Mehrkosten berichtet. Die Produktionskosten sind seither sogar noch weiter angestiegen.

Der Brotgetreidepreis hat sich in den letzten 30 Jahren knapp halbiert.

Das Beste kommt zum Schluss: Gerade wurden die Marktpreise für den bereits geernteten Ölraps der Ernte 2023 bekannt. Dieser liegt um rund Fr. 29.- pro 100 Kg tiefer als der erlöste Preis 2022 und immer noch Fr. 10.- weniger als 2021. Das sind ganze 25 % weniger als im Vorjahr. Doch das ist noch nicht alles! Schweizer Raps ist gesuchter denn je. Fast wöchentlich kommt der Aufruf an die Landwirte, mehr Raps zu produzieren. Der Bedarf an Schweizer Rapsöl kann bei weitem nicht befriedigt werden. Jeder der etwas von Marktwirtschaft versteht, muss nun stutzig werden. Wie heisst es doch so schön: Die Nachfrage bestimmt den Preis.

Der Marktpreis für Ölraps der Ernte 2023 liegt 25 % tiefer als der erlöste Preis 2022. Dies trotz höherer Nachfrage.

Um die Ohnmacht vieler Ackerbauern zu begreifen, muss man wissen, dass der in diesem Sommer (Ernte 2023) geerntete Raps bereits Ende August/Anfang September 2022 angesät wurde. Damals waren wir Rapsbauern noch der Meinung, dass sich der Rapspreis kaum gross nach unten bewegt. Falsch gedacht, soviel ist nun klar.

Zusammengefasst heisst dies für Futtergetreide, Brotgetreide und Raps: Die Produktionskosten können nicht oder kaum gedeckt werden. Wenn man dann noch bedenkt, dass im Kanton Solothurn rund 1/3 der Landwirte bereits von der Substanz leben (das heisst: ungedeckte Kosten und kein Lohn), dann wird es mir schwindlig und selbst ich werde dabei sprachlos…
Mein Betrieb erzielt zwar noch ein Einkommen, würde jedoch ohne Direktzahlungen ebenfalls die Kosten nicht decken können.

Mir ist bewusst, dass es Leute gibt, die meinen Beitrag in die Kategorie: „Das Jammern der Bauern“ einordnen. Bitte schaut jedoch genau hin: Es geht um Fakten! Schönreden geht nicht.

Das Ganze wird auch nicht besser, wen man bedenkt, dass es sich beim Brotgetreide und Raps um Nahrungsmittel handelt. Hat die Produktion von Nahrungsmitteln in der Schweiz keinen Wert mehr? Ist es besser die Nahrungsmittel auf dem Weltmarkt zu beschaffen? Was ist uns eine produzierende Landwirtschaft wert? Wie geht es weiter?

Fragen über Fragen, auf welche ich leider keine Antwort habe. Ich hoffe sehr, dass dieser Beitrag etwas zum Nachdenken anregt.

Erläuterung: Die Richtpreise werden von der Branchenorganisation «swiss granum» festgelegt.

Veröffentlicht von Markus Dietschi

Unternehmer und Landwirt aus Leidenschaft

Ein Kommentar zu “Unhaltbare Zustände!

Hinterlasse einen Kommentar